in dem die Grenzen verschwimmen und wo Gringos und Latinos zu einem
Mix aus Samba, Rock, Chacarea und Country miteinander feiern und tanzen.
Daniel Puente (Chile/Barcelona)
ein charismatischer Musiker, dessen Geschichte so ungewöhnlich ist, wie sie eben nur das Leben schreibt.
Geboren in Santiago de Chile, gründet der Gitarrist, Songwriter und Sänger die Band „Pinochet Boys“, die vom damaligen Militärregime aus bald
das Land verlassen muss.
Auf der Suche nach neuen Impressionen geht es weiter nach Madrid, London, Berlin und Hamburg.
Dort gründet er eine neue Band: „Ninos Con Bombas“. Sie touren durch die USA und Europa.
In Deutschland sind sie u.a. mit den „Einstürzenden Neubauten“ als Support mit großem Erfolg unterwegs.
Heute lebt Daniel Puente in der Nähe von Barcelona und produziert dort unter dem Namen
„Polverosa“ Musik.
Seine Musik ist unter anderem in Fatih Akin’s Film „Gegen die Wand“ zu hören.
Presse:
Friedrichshafen Kultur, Februar 2010
Salsa mit fliegenden Pflastersteinen
Der erste Gedanke: Polvorosa werden das
Theater Atrium niederbrennen. Zwar kenne ich die
Musik von Daniel Puentes neuer Band noch nicht,
aber dafür die seiner früheren Formation „Ninos Con Bombas“: Salsa, durchsetzt mit beinhartem Punkrock.
Bild: Ruppert
Puente selbst jedenfalls ist ein harter Knochen:
Der chilenische Sänger, Gitarrist und Songschreiber
hatte bereits 1984 in seiner Heimat Chile eine
rebellische Punkband aufgemacht – unter dem Namen
„Los Pinochet Boyz“, was zur Zeit des Pinochet-Regimes
schon eine mutige Nummer war. Puente hat sie denn
auch mit dem Exil bezahlt.
Im Atrium sieht alles dann ganz anders aus als erwartet. Daniel Puente steht an der Theke und verlangt keinen Schnaps, kein Bier und nicht einmal Schwarztee – „der macht mich vielleicht nervös“ – sondern eine Tasse Mate-Tee;„aber nur ganz kurz gezogen“. Wenn Bescheidenheit und Höflichkeit einen Namen tragen,
dann den von Daniel Puente.
Von Pappe ist die Musik von Polvorosa trotzdem nicht,
denn gemeinsam mit Kersten Ginsberg (Schlagzeug) und
Momo Hafsi (E-Bass) rollt Puente das Feld der Latin-Musik
von hinten auf: Nichts da mit geschmeidig-glitschiger Tanzmusik,
von der kein tieferer Eindruck hängen bleibt. Ruppiger
Indie-Rock ist die Basis des Polvorosa-Sounds, und der
ist ebenso roh wie artistisch. Kersten Ginsbergs hochgradig
komplexer Schlagzeugstil appelliert erst
an den Kopf und dann an die Beine, und Momo Hafsi ungeschliffener, dominanter Bass bildet die stilistische Schnittstelle zwischen Europa, Lateinamerika und Afrika.
Polvorosa, das ist Klang gewordener Widerspruch,
und das macht die Band so großartig. Wenn der
Rhythmus richtig groovt, legt Daniel Puente garantiert
seinen schnarrenden Sprechgesang drüber; und wenn
das Publikum zu Salsa tanzt, dann tanzt es zugleich
zu rohen Gitarrenriffs – da fliegen, metaphorisch
gesprochen, Pflastersteine aufs Parkett, und Polvorosa inszenieren beides zugleich.
Die Mischung zündet, das Volk tanzt. In konventionelle Tanzschulschritte bricht individueller Freistil ein, und die fertigen Bewegungsrezepte versagen endgültig, wenn Polvorosa Ska mit Polka zu einem zuckenden Bastard verschnüren, der nach Wladimir Kaminers Russendisco-Samplern schreit.
Polvorosa wirken weitaus weniger brachial als noch „Ninos Con Bombas“, sind aber nicht weniger intensiv. Wo Daniel Puente Spannungen und Energien früher wild explodieren ließ, verlagert er sie nun nach innen – eliminiert sind sie
damit keineswegs. Und Daniel Puente selbst? Er ist nach dem Konzert so ausgeglichen wie zu Beginn.
Ein Glas Wein verlangt er an der Theke –
„aber bitte nur ein halbes“.
Mit Daniel Puente, Kersten Ginsberg und Momo Hafsi in der Theatergalerie in Neckartailfingen